To the Sea
Der Film To the Sea ist Teil der European Outdoor Film Tour 2024
Hugo Pedder und Ben Andrews sind sechs Jahre lang einmal pro Jahr nach Schweden gereist, um auf einem selbstgebauten Floß Richtung Ostsee zu paddeln. Ihr Abenteuer hat sie nicht nur bis ans Meer gebracht, sondern auch zu Freunden fürs Leben gemacht.
Inhalts-Übersicht:
Der letzte Tag auf dem "PAIN TRAIN"
2015 war eins der härtesten Jahre für Ben und Hugo. Mosquitos überall, sehr viel Regen und herausfordernde Stromschnellen. Wie aufregend der letzte Tag des 2015-Trips tatsächlich war, erfahrt ihr hier.
Ein Auszug aus dem Tagebuch
Dies war ein großer Tag... unser bisher größter. Wir hatten ein herzhaftes Frühstück (…) und erkundeten dann die verschiedenen Inseln und Kanäle, um unsere Route genauer unter die Lupe zu nehmen.
Nachdem wir über die Warnung des Kochs im Café an der Straße nachgedacht hatten, beschlossen wir, dass es für uns zu gefährlich war, den zentralen Kanal bei dem hohen Wasserstand zu befahren... aber wir wollten nicht, dass unser letzter Tag zu einem langweiligen, anstrengenden Geschleppe von Melissa wird, also beschlossen wir, mit Mel die Seitenstromkanäle in Richtung Süden zu befahren.
Das einzige Problem war, dass wir, um auf die Südseite des Flusses zu gelangen, direkt über die Mündung des Mårdselefors (eine sehr große Stromschnelle) paddeln mussten... was bedeutete, dass wir, wenn wir nicht hart genug paddelten, am Ende den Mittelkanal hinunterfahren würden, ob wir wollten oder nicht! Es war sehr anstrengend, aber wir schafften es hinüber und krochen dann am Ufer entlang stromaufwärts, um einen Weg in die kleineren Seitenbäche zu finden.
Die Südseite des Kanals war in früheren Zeiten von Holzfällern aufgestaut worden, so dass die Wegsuche eine ziemliche Herausforderung war. Als wir schließlich einen Eingang fanden, war es so eng, dass wir die drei Paletten-Teile von Mel trennen mussten, damit wir sie einzeln den ersten Abschnitt der Stromschnellen hinuntertreiben konnten. Da wir wussten, dass noch weitere kleine Stromschnellen kommen würden, banden wir die einzelnen Teile des Rafts an einem Seil fest, so dass sie in einer Art Zug verbunden waren. Ich fuhr also auf einem, Ben auf einem anderen, und unsere Ausrüstung saß auf dem letzten (…). Wir sahen damit nicht gerade elegant aus, denn es war unglaublich schwer, das Gleichgewicht zu halten und zu paddeln.
Wir schafften es, direkt vor dem Wasserfall aus dem Floß zu steigen (...) Nachdem wir unsere Taschen abgenommen und uns vorbereitet hatten, ließen wir die Flöße nacheinander den Wasserfall hinunter, sehr zur Belustigung aller Touristen, die zusahen! Die Paletten wurden ganz schön ramponiert - eine der Plastikcontainer ploppte heraus, und wir verloren ein Floß-Teil flussabwärts, bevor wir es auffangen konnten!
Wir hatten große Angst, dass wir es verloren hatten (das Ende von Melissa!), aber einige Sonnenanbeter hatten es vorbeischwimmen sehen und beschlossen, es aus dem Wasser zu ziehen, um damit zu spielen! Wir sprangen auf die beiden anderen Teile, die am Fuße des Wasserfalls hängen geblieben waren, und fuhren sie heldenhaft hinunter, um uns mit dem dritten zu vereinen. Wir müssen ein seltsames Spektakel gewesen sein!
Uns wurde kalt und wir waren erschöpft, weil wir den ganzen Tag in eiskaltem Wasser geschwommen waren. Schließlich wurde es zu steinig und die Strömung zu schnell, um weiterzumachen, zumal wir langsam die Konzentration verloren und uns möglicherweise in Gefahr brachten. Wir beschlossen, Melissa um den letzten Abschnitt der Stromschnellen herum in den Hauptkanal zu tragen.
Aber dazu mussten wir alle Taschen von den Teilen abnehmen, während wir noch mitten im Bach waren. Und das war keine gute Idee... Während wir eine der Taschen ans Ufer brachten, wurde unsere große Tasche mit unserem Essen, den Schuhen, dem Regenponcho und der GoPro (mit 32 GB Filmmaterial) den Fluss hinuntergespült. (…)
Völlig am Boden zerstört versuchten wir, sie im Wildwasser zu finden, in der Hoffnung, dass sie an einem Felsen hängen geblieben war, aber wir waren zu diesem Zeitpunkt so müde, durchgefroren und es war zu gefährlich im kalten Wasser herumzustolpern. Wir gaben auf und trugen die Raft-Teile mit letzter Kraft durch den Wald und in den Hauptkanal kurz nach Mårdselefors, wo wir Melissa wieder zusammensetzten. (…)
Die Strömung nach Mårdselefors war unglaublich schnell, so dass wir in kurzer Zeit ziemlich weit flussabwärts kamen, aber irgendwann kam der Fluss in die Nähe der Straße und wir hielten am Ufer an. Dann zogen wir das Raft aus dem Wasser und bereiteten Melissa in Rekordzeit für den Winter vor. (…)
Wir hatten geplant, Jonas für unsere letzte Nacht zu besuchen, aber es war schon 22 Uhr und zu spät, um eine Stunde zu ihm zu trampen, also riefen wir ihn an, um uns zu entschuldigen. Ohne Essen, Schuhe oder eine Plane zum Schlafen (die wir Melissa für den Winter überlassen hatten), saßen wir in der Klemme! Also trampten wir zum nächstgelegenen Ort, der sich wie ein Zuhause anfühlte - Vormsele.
Wir waren ziemlich erstaunt, so spät in der Nacht noch eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen, und so froh, als wir dort ankamen, denn wir wussten, dass es eine Hütte am Fluss gab, in der wir schlafen konnten, obwohl wir immer noch kein Essen hatten. Tatsächlich war das Einzige, was wir hatten, etwa 1/8 einer Tüte Erdnüsse (…)
Wir nahmen den Mut zusammen und klopften an die Tür von Katharina und Grahame, die gesagt hatten, wir sollten anklopfen, wenn wir jemals Hilfe bräuchten... und wurden unglaublich herzlich empfangen. Sie waren so liebenswert und gastfreundlich, dass sie uns sofort hereinbaten und uns ein Abendessen kochten (wohlgemerkt gegen 23 Uhr) und jedem von uns ein Bier spendierten! Dann führten sie uns zu einer Wohnung im Dorf, die frei war, und zeigten uns Betten, in denen wir schlafen konnten, und einen Ort, an dem wir warm duschen konnten! Das war ein solcher Kontrast zu der kalten, hungrigen Nacht, die wir erwartet hatten, und eine solche Erleichterung nach einem so anstrengenden Tag, dass wir fast weinten vor Dankbarkeit. (…)
Im Gespräch mit Hugo und Ben
Im Jahr 2013 habt ihr euch aus sechs Europaletten und ein paar Plastikkanistern ein Floß mit dem Namen Melissa gebaut und seid damit in mehreren Etappen auf dem Vindelälven in Nordschweden bis an die Ostsee gefahren. Um für so eine lange Zeit immer wieder gemeinsam an den gleichen Ort zu reisen, muss man sich ganz schön gut kennen. Wo habt ihr euch kennengelernt?
BEN ANDREWS Wir haben uns zum ersten Mal in einem Trainingscamp im Jahr 2008 kennengelernt, da wir beide bei einer dreimonatigen wissenschaftlichen Expedition in Svalbard teilgenommen haben.
HUGO PEDDER Ja, wir haben uns sofort gut verstanden. Witzigerweise waren wir in den drei Monaten auf der Expedition nie im gleichen Team!
BEN Uns beide in ein Team zu stecken, wäre eine Zumutung für die anderen gewesen!
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, in Schweden einen Fluss runterzufahren? Und warum der Vindelälven?
HUGO Ich habe in meinem Studium ein Erasmus-Semester in Uppsala absolviert und dort meine damalige Freundin kennengelernt. Nach dem Studium lebte ich dann eine Zeit lang in Schweden und Ben kam nach einer Interrail-Reise zu mir, da wir einen Rafting-Trip machen wollten. Für die Planung habe ich mir einfach auf Google Maps schwedische Flüsse mit der Satelliten-Ansicht angeschaut und der Vindelälven schien gut geeignet zu sein.
Wir haben später auch erfahren, dass der Fluss im 20. Jahrhundert für den Transport von Baumstämmen genutzt worden war und dass sie dafür einige Stromschnellen gesprengt haben, was auch für unser Vorhaben gut war.
Wie war der Moment im ersten Jahr, als ihr festgestellt habt: Wir werden es nicht innerhalb von zwei Wochen zum Meer schaffen.
HUGO Das Ziel ans Meer zu gelangen, gab es damals noch gar nicht. Als wir Melissa fertig gebaut hatten und sie wirklich schwamm, sagten wir einfach nur: „Oh mein Gott, das ist klasse!“ Wir saßen einfach darauf, tranken Bier, sind ein bisschen rumgeschippert. Irgendwann haben wir dann angefangen zu paddeln und dachten: Wir haben ganz schön Strecke gemacht! Bis wir feststellten, dass wir nur einen Kilometer zurückgelegt hatten.
BEN Wir sind dann auch zur ersten Stromschnelle gekommen und dachten: Nee, das geht nicht. Also haben wir das Floß auseinandergebaut und um die Stromschnelle herumgetragen. Das hat uns einen ganzen Tag gekostet, weil Melissa einfach so schwer ist. Dann haben wir gemerkt: Das können wir nicht immer machen. Als wir dann zur nächsten Stromschnelle kamen, waren wir so müde und dachten uns: Ach komm, wir versuchen es jetzt einfach mal. Und tatsächlich hat es gut funktioniert! Von da an wussten wir, dass wir es theoretisch bis ans Meer schaffen können.
Im dritten Jahr bin ich auch so oft in den Fluss gefallen, dass ich darüber nachgedacht habe aufzugeben.
Ben Andrews
Woher kam die Motivation weiterzumachen?
HUGO Vermutlich am meisten von den Leuten, denen wir entlang des Flusses begegnet sind. Die haben uns immer gefragt, wohin wir wollen und wir haben geantwortet: Zum Meer! Wir haben das nicht unbedingt ernst gemeint, aber irgendwie hat es sich so entwickelt, dass wir dann wirklich dachten: Ja, wir wollen es schaffen!
Manche Leute vom Fluss haben euch auch über Jahre begleitet. Wie kam es zu diesen Begegnungen?
HUGO Viele standen verblüfft am Ufer und haben uns zum Kaffee eingeladen oder uns Lebensmittel gegeben. Und als wir dann weiter den Fluss runterfuhren, haben wir anderen erzählt, wen wir getroffen hatten und die meinten dann „Ah, das ist der Bruder meiner Frau“. So konnten wir mit der Zeit viele Verbindungen herstellen, selbst als wir schon sehr nah am Meer waren. Und mit manchen Leuten kamen wir so gut aus, dass sie uns im folgenden Jahr hinterherfuhren, damit sie uns für einen Abend wiedersehen konnten.
Gab es auch einen Punkt, wo euer Vorhaben auf der Kippe stand?
BEN Ich würde sagen, ab dem vierten Jahr ist es immer mühsamer geworden. Im dritten Jahr bin ich auch so oft in den Fluss gefallen, dass ich darüber nachgedacht habe aufzugeben. Aber der Vindelälven und die Leute vor Ort haben etwas Magisches an sich. Sie ziehen dich immer wieder zurück.
Es hat uns das Herz erwärmt, dass die Leute vor Ort uns so unterstützt haben.
Hugo Pedder
Was nehmt ihr von all den Jahren auf dem Vindelälven mit?
BEN Dass es sehr viele Stechmücken in Schweden gibt, und dass du mit ihnen klarkommen musst, wenn du eine gute Zeit dort haben möchtest. (lacht)
HUGO Ich glaube, dass wir so positiv waren, auch wenn es schwierig geworden ist, dass wir für uns da waren, hat uns geholfen. Und es hat uns das Herz erwärmt, dass die Leute vor Ort uns so unterstützt haben, indem sie uns einen Unterschlupf geboten oder Essen gegeben haben.
BEN Es geht dabei auch darum, aus seiner Komfortzone herauszukommen: Nicht nur körperlich auf der Reise, sondern auch auf Leute zuzugehen und offen zu sein. Das hat lebenslange Freundschaften geschaffen, die wir nicht hätten, wenn wir nur für uns geblieben wären.
Wo ist Melissa jetzt?
BEN Wir haben sie auf Skier gesetzt und zu Fuß über den gefrorenen Fluss gezogen, teils mithilfe von Huskys. Wir sind 2013 von Sorsele los, aber die Quelle des Vindelälven liegt in Ammarnäs. Und das waren noch einmal zwei wundervolle Trips in den Jahren 2022 und 2023, die aber nicht im Film sind.
Letztes Jahr sind wir an dem Ort vorbeigepaddelt, wo wir ursprünglich gestartet waren, und sind die erste Stromschnelle gefahren, die wir uns 2013 nicht zugetraut hatten, was echt cool war. Jetzt schläft das Floß im Wald bis zum nächsten Mal.
Und werdet ihr dem Paletten-Rafting weiter treubleiben?
BEN Der Vindelälven ist der ‚Goldene Fluss‘, aber wir versuchen trotzdem, auch andere interessante Flüsse zu finden. In den letzten Jahren waren wir in Schottland und Slowenien unterwegs. Aber der Vindelälven ist einzigartig. Ich denke, dass wir bald wieder dorthin zurückkehren werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Hier bekommst du einen kleinen Einblick in ihren Film TO THE SEA!
Sneak peek: To the Sea
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